Und da sind wir nun.
Ich vor meinem Laptop sitzend, bin auf der Suche nach den
richtigen Worten – nicht zu emotional, nicht zu dramatisch, aber auch nicht zu
lässig und abgebrüht sollen sie sein. Und du, vor deinem Laptop oder Smartphone, bist irgendwie
auf diese Zeilen gestoßen. Vielleicht hast du gerade nichts Besseres zu tun,
überbrückst die Zugfahrt, sitzt in einer langweiligen Vorlesung oder drückst
dich vor einer Aufgabe, die du besser heute als morgen erledigen solltest.
Vielleicht freust du dich, von mir zu lesen. Vielleicht denkst du dir auch:
„Schon wieder ein neuer Blog irgendeiner Instagram-Unbekanntheit? Hat die
nichts Besseres zu tun?“
Während andere gerne Sport treiben, mit dem Hund spazieren
gehen oder im Garten arbeiten, ist mein liebster Ort, an dem ich mich immer
wieder zurückziehe, meine Gedankenwelt. „Der Kopf ist rund, damit das Denken
die Richtung wechseln kann“, steht auf einer an meine Wand gepinnten Postkarte,
ein Zitat von Francis Picabia. Und so fühle ich mich oft – meine Gedanken
laufen rund wie auf einem Karussell. Einzelne Worte, plötzliche Einfälle,
Assoziationen mit Gerüchen oder Geräuschen, Strukturen einer Argumentation und
erste ausformulierte Sätze jagen einander im Kreis. In diesem Wirbeln fühle ich
mich geborgen. Daraus ziehe ich Kraft.
Seit meiner Grundschulzeit ist das geschriebene, gesprochene
und gedachte Wort etwas, das ich ganz bewusst verwende. Es macht mir einfach
Spaß, wenn ich auf der Suche nach einem Fachbegriff oder einer ehrlichen
Formulierung Erfolg habe. Wenn ich das exakt ausdrücken kann, was in meinem
Kopf im Kreis läuft. Wenn das von mir Geschriebene durch geschickte
Zeichensetzung, einen Absatz, auf einmal so klingt, wie es sich für mich
anfühlt. Wenn Worte nicht nur Mittel zum Zweck sind, sondern auch für sich
gesehen schön sind.
Für mich ruht der bewussten Wortwahl ein Zauber inne, der
den Alltag schöner und den Dialog mit anderen besonders macht. Sich Mühe mit
der eigenen Sprache zu geben ist ein kleiner Luxus, gerade wenn der eigene
Alltag oft daraus besteht, mehrere Wochen lang Multiple-Choice-Fragen auswendig
zu lernen. Im Medizinstudium kann ich meine Liebe zu Worten selten einbringen
und ausleben. Gerade deshalb ist es mir
wichtig, das Schreiben nicht komplett zu verlieren, sondern andere Wege zu
finden, um meine Gedanken und Eindrücke auszuformulieren und damit in den
Dialog mit anderen zu treten.
Vor mehreren Jahren bin ich einer Fotografie-App
beigetreten, um mich über die Umstellung auf glutenfreies Essen zu informieren
und Ideen für Rezepte zu finden. Daraus wurde nach und nach ein Ort, an dem ich
einige persönliche Gedanken, Anekdoten aus dem Medizinstudium, Lernerfolge, Zweifel
und zunehmend auch Ratschläge und Erlebnisse geteilt habe. Wohlgemerkt in einem
virtuellen Rahmen, der eigentlich dafür gedacht ist, Fotos zu teilen.
Dass die Rechnung, meinen Instagram-Account wie einen Blog
zu behandeln, für mich persönlich nicht aufgeht, ist mir schon länger bewusst.
Ich möchte Texte so formatieren können, wie ich es will. Ich möchte so lange
schreiben, wie es der Inhalt fordert, ohne dass mich eine Zeichenanzahl dazu
zwingt, Texte wieder und wieder zu kürzen und ihnen damit ihren Charakter zu nehmen.
Ich möchte mich freier machen von Instant-Reaktionen wie „Gefällt mir“-Angaben
und schnellen Kommentaren. Deshalb ist der Blog „sie lebe hoch“ ein für mich
logischer und notwendiger Schritt, um den längeren, ausformulierten oder
informativen Texten, die für mich nie richtig auf Instagram gepasst haben, ein echtes
Zuhause zu geben.
Die Fotografie-App wird weiterhin ein Ort bleiben, an dem ich
Gedanken, Überlegungen, Updates und Schnappschüsse teile. Aber eben nicht mehr.
Wenn ich über ein Thema ausführlicher schreiben möchte - ein differenziertes Fazit
zu meinem Erasmussemester, ein persönlicher Reiseführer zu meinen
Lieblingsorten, Tipps zum effektiven Lernen, Gedanken zu einem komplexeren
Thema oder meine persönlichen Erfahrungen im Freiwilligendienst oder als
Zöliakie-Patientin - , will ich dies an einem dazu passenden Ort tun.
Ich hoffe sehr, dass der Blog „sie lebe hoch“ für mich und
auch für dich dieser passende Ort wird. Und vielleicht freust du dich sogar ein
wenig – ich freue mich nämlich sehr auf das, was dieses Jahr an Schriftlichem
kommen mag!
Alles Liebe,
Miri
Ich freue mich sehr, hier in Zukunft mehr von dir zu lesen. Auch wenn ich auf Instagram eher stiller Leser bin, finde ich deine Gedanken immer sehr tief, intelligent, reflektiert und gut formuliert.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Flo
Bei der Formulierung "Fotografie-App" musste ich direkt schmunzeln! Du schreibst sehr schön und man merkt auch sofort, wie bedacht du deine Gedanken in Worte gefasst hast. Wirklich schön und angenehm zu lesen!
AntwortenLöschenHaha ja, meine Freundin meinte beim Lesen auch: "Mensch Miri, schreib doch einfach Instagram." :D
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