15. März 2018

ÜBER EINEN SATZ, DER MEINE BEZIEHUNGEN VERÄNDERT HAT.




Zwischenmenschliche Beziehungen fallen mir manchmal nicht leicht, obwohl ich seit jeher unglaublich tolle und inspirierende Menschen zu meinem Freundeskreis zählen darf. Vermutlich, weil ich oft mit zu hohen und unausgesprochenen Erwartungen an Beziehungen herangehe.
Ich erinnere mich, dass ich als Grundschulkind bitterlich geweint habe, wenn eine beste Freundin mit jemand anderem spielen wollte. Als ich älter wurde, kamen in meiner Freundinnen-Gruppe immer wieder Partner dazu, die zum Mittelpunkt unserer Gespräche wurden und sich teilweise auch in die Gruppe reindrängen wollten, wie ich es zumindest damals empfand – ein Verhalten, dass ich mit Ignorieren und bissigen Kommentaren strafte.

Irgendwann war dann auch ich in mehr oder weniger lange dauernden (möchtegern-)romantischen Beziehungen. Im Nachhinein wirken erste Beziehungsversuche vermutlich für viele lustig und unbeholfen. Für mich bleibt hängen, dass ich mich mit einem unglaublichen Eifer und emotionalem Einsatz in diese Beziehungen gestürzt habe und gleichzeitig ständig unzufrieden mit meinem Gegenüber und unserer Interaktion war. 

Meine erste längere Beziehung mit einer Frau war eine solche Achterbahn der Gefühle, dass ich mittlerweile das Gefühl habe, jemanden anderen und nicht mich zu beobachten, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Ich hatte an unsere Beziehung wahnsinnig hohe Erwartungen, sah uns quasi schon vor dem Traualtar stehen, und hatte gleichzeitig ständig das Gefühl, nicht genug zu sein, ihre Sorgen und Nöte nicht genug kompensieren zu können und sie nicht gut genug zu unterstützen. Nach unserer Trennung habe ich monatelang getrauert, um die intensiven Gefühle und gemeinsamen Erlebnisse, aber auch um die Pläne in jahrelanger Entfernung, die ich in Gedanken geschmiedet hatte.

Mittlerweile bin ich seit gut zweieinhalb Jahren in einer Beziehung, in der ich zu einem so zufriedenen und (für meine Verhältnisse) ausgeglichenen Menschen geworden bin, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Nichtsdestotrotz gab und gibt es schwere Phasen und Momente, in denen ich mir die Frage gestellt habe, ob diese Beziehung wirklich all‘ die Mühe und emotionale Arbeit, die ich in sie stecke, wert ist und ob wir wirklich so gut zueinander passen, wie ich es an sich glaube.

Während einer dieser schwierigen Phase bin ich auf einen Satz gestoßen, den ich seitdem in romantischen wie auch freundschaftlichen Beziehungen zu beherzigen versuche. Er hört sich simpel an, ist aber für mich weiterhin revolutionär für meine Herangehensweise an zwischenmenschliche Beziehungen.


„Ein einzelner Mensch ist nicht dazu da, all‘ deine Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen.“

Meine chronische Unzufriedenheit mit Freundschaften und Partnerschaften lag vor allem darin, dass ich mit Erwartungen an sie heranging, die eine einzelne Person schlichtweg nicht erfüllen kann. Natürlich braucht man gemeinsame Interessen, um eine Beziehung aufzubauen, und es ist legitim, dass man sich erhofft, durch die Beziehung eigene Bedürfnisse nach Austausch, Gesellschaft, Information, Nähe, Anerkennung oder Spaß zu erfüllen. 

Aber was, wenn ich mich mit einer Freundin sehr gut verstehe, wenn wir uns zu zweit treffen, sie sich aber einfach nicht mit meinem restlichen Freundeskreis versteht? Was, wenn mich meine Partnerin glücklich macht, sie mir aber nie direkt auf meine Nachrichten antwortet, mit mir keine Radtouren machen möchte oder einfach nicht mit mir über andere lästern möchte, wenn ich das mal brauche? Was, wenn wir uns in der Gruppe gut verstehen, aber ich mir nicht sicher bin, ob unsere Freundschaft ewig halten wird oder nur die nächsten zwei Jahre?

Filme und Bücher haben mir seit meiner Kindheit ein Bild gezeigt von lebenslanger Freundschaft, bei der man sich in- und auswendig kennt und rund um die Uhr füreinander da ist, und Liebe, bei der man in der Zweisamkeit die Erfüllung aller romantischen und sexuellen Bedürfnisse findet und nebenbei noch beste Freund_Innen ist. Tatsächlich waren meine zwischenmenschlichen Beziehungen nie so – eine Tatsache, die mich oft enttäuschte und durch die ich eifersüchtig auf die Menschen wurde, die meiner Meinung nach solche perfekten Beziehungen führten. 

Die Aussage, „Ein einzelner Mensch ist nicht dazu da, all‘ deine Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen.“, hat mir erlaubt, etwas Abstand von diesen überzogenen Erwartungen und unrealistischen Vorstellungen zu nehmen und ein andere Vorstellung von einer guten und gesunden Beziehung zu entwickeln, die mich im Endeffekt viel glücklicher und entspannter macht. 

Wie kann ich eine zwischenmenschliche Beziehung führen, die die Aussage dieses Satzes umsetzt?

 

 

Zum Beispiel, indem ich über Wünsche rede und nicht erwarte, dass das Gegenüber sie direkt erfüllt, nur weil ich sie ausgesprochen habe. 

Ich kann mit Menschen suchen, die sich für Themen begeistern und engagieren, die in meinem ursprünglichen Freundeskreis nicht aufkommen oder für die sich meine Partnerin nicht interessiert. 

Wenn eines meiner Bedürfnisse nicht erfüllt wird, kann ich es vielleicht trotzdem als ein Teil meiner Selbst akzeptieren und muss es nicht unterdrücken, damit eine Beziehung meinen Maßstäben an vollkommener Zufriedenstellung gerecht wird. 

Ich kann gelassener werden, wenn Menschen sich anders verhalten, als ich es mir instinktiv wünschen würde.

Ich kann Wünsche anderer ernstnehmen und respektieren, ohne sie direkt mit mir selbst in Verbindung zu setzen oder mich damit unter Druck zu setzen, dass ich sie ihnen oder gemeinsam mit ihnen erfüllen muss. Nur weil mein Kumpel gerne wochenlang durch Asien reisen möchte oder eine Freundin jemanden zum gemeinsamen Lernen sucht, muss ich nicht mitmachen, um unsere Beziehung zu legitimieren.

Anstatt ständig innerhalb einer zwischenmenschlichen Beziehung an meinen Schwierigkeiten zu arbeiten und zu erwarten, dass die andere Person genauso begeistert mitmacht, kann ich versuchen, den Fokus eher auf das zu lenken, das ich alleine anders machen oder ändern kann.

Wenn ich die Worte nicht nur auf andere, sondern auch auf mich anwende, kann ich mich von dem Gefühl befreien, dass es meine Aufgabe ist, meine Liebsten rund um die Uhr glücklich zu machen. Es ist schön, wenn man gemeinsam Zufriedenheit und Glück findet und sich in schweren Zeiten unterstützt, aber das Füreinander Dasein ist keine Selbstverständlichkeit, die man zu jeder Zeit zu geben bereit sein muss, damit die Beziehung echt ist.

Ich kann meine Sexualität als etwas begreifen, das ich mit einer (oder mehreren) Person teile, die aber auch Wünsche und Vorstellungen umfassen kann, die die andere Person nicht erfüllen kann oder möchte. 

Vielleicht weiß ich es nach einiger Zeit viel mehr zu schätzen, wie viel von mir ich in meinen Beziehungen verwirklichen kann, anstatt mich auf die zwei, drei Dinge zu konzentrieren, die wir nicht teilen.

Und vielleicht schaffe ich es, irgendwann nicht mehr die Erfüllungen von Bedürfnissen in den Mittelpunkt von Beziehungen zu stellen. 



Gewisse Grundsätze wie gegenseitigen Respekt, ein Grundinteresse an- und Zuneigung füreinander sind für mich weiterhin indiskutabel. Aber ob ich meinen Mitwohnenden wirklich mein Bedürfnis nach einem bestimmten Grad von Sauberkeit aufzwingen soll? Ob meine Liebesbeziehung zum Scheitern verurteilt ist, weil ich mich trotz Partnerschaft ab und zu hässlich, bedeutungslos und ungebildet fühle? Ob ich mich unregelmäßig bei meinen Eltern melde, um mich unabhängig zu fühlen, obwohl ich weiß, dass sie sich über Anrufe freuen? Ob ich meine Partnerin davon abhalte, ein eigenes Hobby zu haben, alleine eine große Reise zu machen oder Zeit mit Menschen ohne mich zu verbringen, weil ich mich sonst einsam fühle? 

Ich glaube, dass es einen persönlich weiterbringt, wenn man einzelne zwischenmenschliche Beziehungen nicht als den Garanten für Glück und Zufriedenheit betrachtet. Freundschaften, Bekanntschaften und romantische Beziehungen sind für mich wahnsinnig wertvoll und bereichernd. Durch überzogene Erwartungshaltungen kann man aber gerade die Menschen, die einem lieb sind, überfordern, einengen und sie dazu zwingen, sich auf eine Weise zu ändern, zu der sie eigentlich nicht bereit sind. 


Hast du einen Leitgedanken, der dir in deinen Beziehungen hilft?

Alles Liebe,
Miri

1 Kommentar:

  1. Liebe Miri,
    was für ein toller Beitrag! Vielleicht genau das, was ich gerade gebraucht habe - es ist ja nun nicht einfach, sich den ganzen Diskussionen und Vorstellungen von Beziehungen zu entziehen, die da draußen rumgeistern und uns (oder zumindest mich) nur noch mehr verwirren. Die einen sprechen von dieser Disney-Liebe, die du oben nennst, die anderen davon, dass das nie so sein kann - aber die Antwort scheint dann zu sein, auf andere Beziehungsmodelle auszuweichen. Verzicht oder Verlagerung auf andere Quellen (zB manche Interessen einfach mal mit Freunden teilen statt mit dem Partner) sind irgendwie nicht cool genug für die Medienlandschaft... ;)
    xx

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